Vorhang auf! Premiere der VDP.Grossen Gewächse 2016

620 Große Gewächse bringen die 178 VDP-Mitglieder im Jahr 2017 als Neuerscheinung auf den Markt. In Wiesbaden werden 421 Weine aus 249 Lagen von 124 Weingütern vorgestellt. Die Grossen Gewächse legen die Messlatte für den Deutschen Wein im Allgemeinen, für den Riesling und Spätburgunder im Speziellen Jahr für Jahr mehr oder weniger hoch. Innerhalb einer gesetzten Verkostung machen sich die Experten ein umfangreiches Bild des neuen Jahrgangs. Drei Tage lang wird geschnüffelt, geschmeckt, gespuckt und bewertet. Während der Pausen wird gefachsimpelt und die Verkostungsergebnisse ausgetauscht.

Ahr
Die Ahr steht für Spätburgunder, wie keine zweite Region. Jahr für Jahr entstehen hier komplexe und fruchtbetonte Trouvaillen. „Heute sind unsere Spätburgunder wesentlich lebendiger. Wir lesen bereits bei 95 bis 98 Grad Oechsle, früher waren wir stolz, wenn das Refraktometer 106 Grad zeigte,“ so Marc Adeneuer. Ob der reife und warme Jahrgang 2015 den Ahr-Winzern wirklich in die Karten spielte, wird die Zukunft zeigen. Insgesamt präsentieren sich die Ahr-Spätburgunder recht körperreich mit reifen Tanninen, spürbarem Alkohol und saftiger Fruchtaromatik. Der Pfarrwingert von Werner Näkel und seinen Töchtern Dörte und Maike steht für diesen Stil seit Jahren mit zungenumwickelnder Fruchtüppigkeit. Während die „Gärkammer“ von Adeneuer etwas mehr Lebhaftigkeit an den Tag legt, ist Stoddens „Herrenberg“ für die Zukunft gemacht. Spürbarer Holzeinfluss und Reifepotential.

Mittelrhein
Sieben der acht produzierten Grossen Gewächse wurden in Wiesbaden vorgestellt und alle zeigten ein überraschend hohes Qualitätsniveau. Während sich Cecilia Josts GG Bacheracher „Im Hahn“ eine Spur zu sanft darstellte, brillierte Matthias Müllers Bopparder „Hamm Engelstein“ gewohnt ausdrucksvoll, wobei sein Riesling „An der Rabenlei“ in Punkto Frucht und Fülle noch eins draufsetzte. Jochen Ratzenbergers Bacheracher „Wolfshöhle“ fiel dieses Jahr etwas zarter aus, während sich der „St. Jost“ als schlanker Rieslingtyp mit lebhafter Säure, präzise, glasklar und voller Potential präsentierte. Jörg Lanius ist mit seinem „Bernstein Lauerbaum“ ein komplexer, langlebiger Volltreffer gelungen.

Mosel
Kein ganz einfaches Jahr für die Moselwinzer, viele Rieslinge sind Botrytis geprägt. Nur wenige Spitzen, viel Mittelmaß und auch leider Rieslinge, die eigentlich nicht in die Kategorie Grosses Gewächs gehören. Weniger wäre in diesem Fall mehr. Immerhin beschert die Mosel der VDP-Statistik in diesem Jahr mit 71 VDP.GROSSE LAGE GG‘s. Maximin Grünhaus punktet mit seinem „Herrenberg“ mit sanft würziger Art, angenehmer Leichtigkeit und Balance. Van Volxem brilliert mit „Volz“ und seinem „Scharzhofberger, ein vielschichtiger, würziger Riesling – im Gegensatz zu den anderen genannten – mit Schmelz, Kraft, Tiefgründigkeit aber angenehm, herbem Trinkfluss. Die Juffer-Sonnenuhr“ von Oliver Haag wie gewohnt in der delikaten Spitze. Aber ganz ehrlich: Ein „Himmelreich“ für Ute und Thomas Haag vom Weingut Schloss Lieser. Aber auch mit ihrem „Niederberg Helden“ sind die beiden auf gewohnt hohem Niveau, und auch im „Goldtröpfchen“ beweisen sie Ihr Riesling-Fingerspitzengefühl.

Rheingau
In dem traditionsreichen Gebiet hat man sich in der Vergangenheit ein wenig auf den sprichwörtlichen Lorbeeren der weltweit bekannten Schlossgüter ausgeruht. Bedingt durch den Zusammenschluss der Charta- und der VDP-Betriebe kamen 1999 fast fünfzig Weingüter zusammen. Dieser eigentlich positiv angedachte Zustand führte zu einem heterogen Qualitätsniveau, was den Rheingau im nationalen Kontext zurückgeworfen hat. Heute präsentiert der Verband mit gut achtunddreißig Mitgliedsbetrieben ein Drittel der Weinbaufläche. Das Qualitätsniveau steigt von Jahr zu Jahr. Allerdings finden sich auch in diesem Jahr noch einige der sechzig Grossen Gewächse, die vielleicht nicht unbedingt als solche hätten klassifiziert werden sollten. Aber zum Glück gab es auch höchst erfreuliche Qualitätssprünge. Beispielsweise bei Achim von Oetinger, der mit seinen 2016er GG’s Siegelsberg, Hohenrain und vor allem dem Marcobrunn die Messlatte deutlich nach oben schob. Während sich der Weil’sche Gräfenberg und auch Fred Prinz mit seinen Gewächsen Jungfer und Schönhell gewohnt im oberen Bereich einsortieren, punkteten die Rieslinge von Peter Jakob Kühn völlig eigenständig und herrlich unangepasst mit anregender Herbe und kühler Lebhaftigkeit. Die GG’s von Gunter Künstler sind insgesamt eleganter und präziser geworden Er findet auch im Rüdesheimer Berg immer mehr seine Form, so dominieren die Rieslinge nicht nur in Hochheim, sondern auch am anderen Ende des Rheingaus. Sehr erfreulich die Entwicklung der Kaufmann-Rieslinge und Spätburgunder, sowie der steinigen Lage Pfaffenwies Röder von Kanitz in Lorch.
In den Rheingau-Kellern wird heute tendenziell immer mehr mit dem Einsatz von Holzfässern gearbeitet, die Maischestandzeit verlängert und einzeln abgezupfte Beeren mitvergoren. Lange Lagerzeit auf der Hefe verleiht den Weinen eine mundfüllende Cremigkeit.

Nahe
Diese Region bietet seit Jahren ein beständig und vor allem verlässlich hohes Qualitätsniveau. Erfreulich, dass sich Gut Hermannsberg wieder in der Spitze zeigt. „Rotenberg“ und „Hermannsberg“ erweisen sich als komplexe, äusserst dichte Rieslinge mit anregendem Schmelz, sanfter Herbe und entsprechendem Potential. Schäfer-Fröhlich zeigt sechs hochwertige GG’s, die allerdings alle sehr deutlich die Handschrift ihres Winzers und seines Kellers tragen. Wirklich herausragend, komplex, intensiv und voller Schmelz präsentiert sich lediglich das „Felseneck“, ein wahres Monument mit Reifepotential und enormer Dichte. Caroline Diel stellt ein feinwürziges, extrem ansprechendes „Pittermännchen“ und ein elegantes, allerdings sehr verschlossenes „Goldloch“ vor. Ihre komplexen Weine haben in den letzten Jahren extreme Spannung bekommen, sind herrlich präzise, dennoch köstlich saftig, elegant und lassen auf die Zukunft hoffen. Wir freuen uns auf den „Burgberg“, der in in Wiesbaden leider nicht zu verkosten war. Schönlebers „Halenberg“  und Crusius „Felsenberg“ punkten mit ausdrucksvoller Frucht, eleganter Struktur und köstlicher Vielschichtigkeit, während Dönhoff mit seinem „Felsenberg Felsentürmchen“ und mit seiner „Hermannshöhle“ nach wie vor in der ersten Liga spielt.

Rheinhessen
In dieser Region stimmt der Zusammenhalt und die Kommunikation. Rheinhessen ist in der VDP.Klassifikation nach wie vor dreistufig. Gutswein, Ortswein, Grosse Lage (GG). Das führt innerhalb des VDP’s gezwungenermaßen zu Diskussionen und bei den gängigen Weinführern oftmals zu schlechteren Bewertungen, in der gastronomischen Szene allerdings zu Beifallstürmen. Warum? Die geneigten Verkoster sortieren die rheinhessischen Ortsweine auf dem niedrigeren Niveau ihrer Pendents aus anderen Gebiete ein. Dabei vergisst der ein oder andere vielleicht, dass es in Rheinhessen keine Erste Lage gibt. Hier ist die ewig schwammige Mitte der Klassifikations-Pyramide mit dem Ortswein klar definiert. Alle Massnahmen fliessen in die Ortsweine. In ihrer hochwertigen Qualität sind sie professionelle Gastronomieweine – sozusagen die Vorboten der Grossen Gewächse. Hochwertiger als Gutsweine, nicht ganz so konzentriert wie die Lagenweine, eher trinkbar, perfekte Speisenbegleiter und deshalb ein echtes Gastro-USP.
Rheinhessen ist das einzige Anbaugebiet, welches neben den arrivierten VDP’lern sowohl die rheinhessischen Winzer als auch den Nachwuchs mit ins Boot nimmt. ZU Beginn des Jahres wurde deshalb die „Maxime Herkunft Rheinhessen“ gegründet. Voraussetzung einer Mitgliedschaft ist die Umsetzung der dreistufigen VDP. Klassifikation. In Zusammenarbeit mit www.Rheinhessenwein.de hat man einen sich jährlich wiederholenden „Ortswein-Preview“ kurz vor der Mainzer Weinbörse und eine „Lagen- und GG-Verkostung“ nach der GG-Premiere installiert. Das motiviert, sorgt für Weiterentwicklung und Zusammenhalt in der Winzerschaft. So ist Rheinhessen ein weiteres Gebiet mit angenehmer Qualitätsdichte im Grossen Gewächse Reigen. Den Pettenthal-Flight führt Klaus Peter Keller aus Flörsheim-Dalsheim an, während sich der lebhafte „Pettenthal“ von Kai Schätzel eher zurückhaltend, leicht und etwas verschlossen präsentiert, die Rieslinge von Gunderloch und Kühling-Gillot würzige Frische, Tiefgründigkeit und lebhafte Säure zeigen. Interessanterweise haben sich in den letzten Jahren einige namenhafte rheinhessische Betriebe im Roten Hang „eingekauft“. Auch Philipp Wittmann baut hier Riesling an. Der nächste Winzer, der „fremd geht“, ist Daniel Wagner. Er hat mit Christian und Matthias Runkel eine kleine Parzelle „Scharlachberg“ versus „Heerkretz“ getauscht. Bei diesem spannenden Joint Venture ist Zusammenhalt angesagt: die Weinbergsarbeit verrichten die jeweils ansässigen Weingüter, bei der Lese rücken dann die Winzer mit der eigenen Lesemannschaft aus. Sowohl im Weingut Bischel als auch bei Wagner-Stempel sind die Resultate hoch interessant und äusserst vielversprechend! Da herrscht einstimmige Vorfreude auf die Weine dieses Experiments! Aber auch die eigenen Grossen Gewächse, der „Höllberg“ und vor allem die „Heerkretz“ zeigte enorme Dichte und Spannung.
Kühling-Gillot brilliert mit einem dichten, kraftvollen und stoffigen „Rothenberg wurzelecht“, während Johannes Hasselbach mit seinem Gunderloch „Rothenberg“ eher die präzisen, eleganten und komplexen Töne anschlägt. Während Michael Gutzlers Spätburgunder bereits länger in der Bundesliga spielen, ist auch sein Riesling „Morstein“ komplexer geworden. Philipp Wittmann präsentiert einen enorm präzisen, vielschichtigen und tiefgründigen „Morstein“ mit entsprechendem Potential. Aber auch das „Brunnenhäuschen“ und das „Kirchspiel“ zeigen ihre Herkunft in gewohnter Qualität. Die „Aulerde“ präsentiert sich fester, dichter und hat einen großen Qualitätssprung gemacht. In dieser Lage punktet aber auch Fritz Groebe, seine „Aulerde“ zeigt sich komplex, saftig, voller Schmelz und Reifepotential.

Franken
Die fränkischen Silvaner sind zweifelos die echten Gewinner de 2016er Jahrgangs. Sie präsentieren sich durch die Bank weg süffig, saftig, präzise und strukturiert, zeigen Schmelz und Potential. Der „Rothlauf“ vom Weingut May führt das Reigen an, dicht gefolgt vom „Stein“ und der „Stein-Harfe“ des Bürgerspitals. Paul Weltners „Küchenmeister Hoheleite“ präsentiert sich lebendig, fruchtbetont und präzise, während der „Kallmuth“ noch mit etwas Zurückhaltung punktet. Der Monument – für die Zukunft gemacht.

Pfalz
Das Gebiet fährt 64 Grosse Gewächse auf. Es erweckt den Eindruck, dass drei oder vier Grosse Gewächse pro Weingut nicht ausreichen. So sind innerhalb der Lagen dann auch sehr unterschiedliche Rieslinge zu finden. Erschwerend kommt die immer stärker spürbare Kellerwirtschaft hinzu, der noch vor einigen Jahren verschmähte Holzfass-Ausbau gehört mittlerweile fast zum Standardprogramm. Vielleicht ist deshalb der jeweilige Lagen-Charakter nicht immer sofort nachvollziehbar.
Knipser punktet mit einem festen, klaren „Steinbuckel“, der für die Zukunft gemacht ist, während sich der „Weilberg“ von Pfeffingen-Fuhrmann-Eymael kühl, präzise, klar und elegant zeigt und der etwas würzigere „Herrenberg“ mit Grapefruitnoten und zartem Holzeinfluss besticht. Angenehm zeigt sich der „Pechstein“ von Mosbacher, weil der spürbare Holzeinfluss des letzten Jahres zu Gunsten von anregenden Pfirsichnoten zurückgefahren wurde. Zukunftsträchtig wiederum der vielschichtige „Pechstein“ von Winning mit gekonntem, recht eleganten Holzeinsatz. Das „Kirchenstück“ von Reichsrat von Buhl präsentiert sich dunkelfarbig, vollmundig, saftig, vielschichtig mit anregend üppiger Aromatik. Müller-Catoir zeigt mit „Bürgergarten Im Breumel“ ein junges, noch sehr zurückhaltendes Grosses Gewächs, während Christmann mit seinem „Idig“ die Riege anführt. Aber auch die „Mandelgarten-Meerspinne“ ist in der ersten Liga angesiedelt. Theo Minges zeigt mit seinem „Schäwer“ einen ehrlichen, lebhaften Riesling mit Potential. Rebholz präsentiert einen reifen, anregenden „Ganzhorn im Sonnenschein“, welches noch ein wenig mit anregend herben Noten vom „Kastanienbusch“ getoppt wird. Die „Kalmit“ von Boris Kranz zeigt sich kühl, präzise, sehr verschlossen mit facettenreichem Potential. Bei den Weissen Burgundern punkten die üblichen Verdächtigen, Knipser im Norden und Rebholz, Wehrheim und Kranz im Süden.Ähnlich verhält es sich beim Spätburgunder, hier kommen aber noch die drei Lagen „Heydenreich“, „Kammerberg“ und Sankt Paul“ von Friedrich Becker dazu.

Baden
Leider ist hier nicht alles Gold, was glänzt. Nur sehr wenige wirklich Grosse Gewächse. Bei den Weißburgunder führt Joachim Heger mit seinem „Winklen Rappenecker“ das Feld an, was sich beim Grauburgunder wiederholt. Herausragend zeigen sich die Chardonnays der Familie Huber. Gemeinsam mit seinem Team hat Julian sowohl beim „Bienenberg“ aber im besonderen beim „Schlossberg“ die Qualität hochgefahren. Einsame Spitze in der Region.

Württemberg
Dieses Gebiet nimmt Fahrt auf, sowohl beim Riesling als auch beim Spätburgunder ist eine durch fast alle Betriebe durchgängige, sehr konstante Qualität feststellbar. Das allgemeine Qualitätsniveau liegt höher als in manch anderen Gebieten. Bei den Rieslingen zeigen Fürst Hohenlohe Oehringen, Wachtstetter, Beurer, Heid und Lokalmatador Aldinger hohes Niveau. Die Lemberger des Jahrgangs 2015 präsentierten sich durchweg sehr kraftvoll, dunkelbeerig, üppig und alkoholgeprägt. Bemerkenswert waren „Michaelsberg“ von Dautel, „Mönchberg Berge“ von Moritz Haidle und der „Lämmler“ von Rainer Schnaitmann.
Freude bereiten die 2015er Spätburgunder. Kistenmacher-Hengerer zeigt mit seiner „Stiftsberg Klinge“ einen noch zurückhaltenden, etwas verschlossenen und unbequemen Wein mit Potential. Im Hause Wachtstetter liegt der „Hohenberg Glaukós“ vorne, während der komplexe, feinfruchtige und elegante „Gips Marienglas“ von Aldinger die württembergische Liga anführt. Die Reben seines kraftvollen „Lämmler“ stehen in einer etwas kühleren Lage, zeigen neben anregende Kirscharomen noch eine ganze Menge Holz. Ein köstliches Muskelpaket für die Zukunft. Auch Rainer Schnaitmann präsentiert einen würzigen“Lämmler“ mit üppiger Kirscharomatik. Ein hohes Maß an Trinkgenuss zeigt der dritte elegante, vielschichtige „Lämmler“ vom Weingut Heid. Feinewürziger, sanfter Duft, Sauerkirsche, köstlich, elegant, dicht, präzise und wunderbar schmelzig. Genussvolle Verlockung auf hohem Niveau.

Ahr, Franken, GG, VDP

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